Angestellt im "Privatschulboom"?!

Wenig im Fokus in der Debatte über Privatschulen stehen bislang die Kolleg*innen, die an diesen Schulen unterrichten, und ihre Arbeitsbedingungen.

Ein Mitglied unseres Kreisverbandes, selber Angestellte einer Privatschule, hat sich in einem Leserbrief an die HLZ diesem Thema gewidmet. Wir geben ihn hier im Wortlaut wieder:


"Liebe Kolleginnen und Kollegen, 

Die GEW leistet wertvolle Arbeit, sie hat mir in den vergangenen Jahren oft geholfen, ich möchte diese Institution nicht missen. 

Allerdings habe ich den Eindruck, dass ich als Mitarbeiterin an einer Privatschule hier eher eine Ausnahme bin, da viele Kolleg*innen sich vor einer Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft fürchten. Die ist jedoch meines Erachtens nicht unbedingt ihre eigene Schuld. Vielmehr scheinen Privatschullehrer*innen die Stiefkinder des Kultusministeriums zu sein, oft trauen sie  sich nicht, sich zu wehren, sind dadurch die Gelackmeierten. Gehaltserhöhungen, Tarifpläne und Coronabonus gingen an vielen von ihnen vorbei, eine Interessenvertretung zu gründen ist schwierig. Gerade darum brauchen sie eine breite Unterstützung und sollten von der GEW mehr ins Boot genommen werden. 

Lehrerinnen und Lehrer an Privatschulen sind eine nicht homogene Gruppe aus Akademikern, Menschen mit Staatsexamen und ohne, Menschen mit Meisterbrief, Menschen, die gelernt haben, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, Quereinsteigerinnen, Menschen, zum Teil Mitstreiterinnen, die die gleiche Arbeit verrichten, wie Kolleg*innen beim Staat, nur unter anderen Bedingungen. Unter uns befinden sich auch zahlreiche Lehrer*innen mit Abschlüssen, die dem Zweiten Staatsexamen entsprechen, allerdings im Ausland erworben wurden. 

Gemeinsam haben zahlreiche Privatschulkolleg*innen, dass sie ihre Rechte nicht kennen, wobei einige  in Situationen sind, die sie zögern lassen, sich für  dieselben einzusetzen. So kann ein Aufenthaltsstatus bei Menschen mit Migrationshintergrund vom Job abhängen, was einen daran hindert, sich z.B.  an der Gründung eines Betriebsrates zu beteiligen.

An meiner Schule versuche ich seit Jahren zusammen mit einigen Mitstreiter*innen, für unsere Rechte einzustehen, für angemessene Gehälter, für eine Interessenvertretung vor Ort, für gute Arbeitsbedingungen. Allerdings stoße ich immer wieder an Grenzen. So wurde Betriebsratsarbeit kriminalisiert, Kolleg*innen eingeschüchtert, wer eine angemessene Bezahlung verlangt, galt lange Zeit  als unsolidarisch, wobei es Anzeichen gibt, dass sich bei den Gehältern nicht nach dem Gleichheitsgrundsatz gerichtet wird. Zwar hat sich im vergangenen Jahr an unserer Schule einiges gebessert, aber es liegt noch vieles im Argen. 

All diese Missstände gehen nicht nur auf das Konto der jeweiligen Schulleitung, vielmehr scheint es nicht im Interesse des Gesetzgebers zu liegen, unsere Situation durch verbindliche Gesetze und Verordnungen nennenswert zu verbessern. 

So gelten z.B.  Privatschulen als Wirtschaftsunternehmen, die frei entscheiden können, wie sie ihr Personal bezahlen und was sie von diesem erwarten. Der Gesetzgeber lässt sie einfach gewähren, was zum Teil an Ausbeutung grenzt.

Nichtsdestotrotz  leisten wir, was Lehrpersonen leisten müssen. Hier wird keine Rücksicht genommen, wie denn auch: Unsere Schüler*innen müssen fit für Abschlüsse gemacht werden, Prüfungen werden erstellt und abgenommen, die Kontrolle des Staates ist hier streng. Alle Nachteile, die auch den Kolleg*innen an Staatsschulen das Leben sauer machen, haben wir auch: Leistungsdifferenzierten Unterricht, mehr Verwaltung, Papierkrieg, Schüler*innen mit besonderen Bedarfen, zahlreiche Vertretungsstunden, Elterngespräche, Engagement bis zum Burnout.  Hatte ich die Konferenzen erwähnt? Eine Privatschule hindert niemand daran, einmal pro Woche eine regelmäßige dreistündige Konferenz einzuberufen. Immerhin haben wir seit diesem Jahr die Möglichkeit, uns davon zu entschuldigen. Die Bezahlung dieser Konferenz ist in unsere Gehälter inkludiert, wobei wir z.T. weniger verdienen als ein Fließbandarbeiter bei Tesla, eine volle Stelle besteht aus 26 Pflichtstunden, egal in welcher Klassenstufe ein*e Kolleg*in tätig ist. Ich weiß nicht, wie man in ein solches Gehalt noch etwas inkludieren können soll, aber offensichtlich geht es. 

Muss ich erwähnen, dass wir keinen Coronabonus bekamen? Obwohl einige von uns während des Lockdowns doppelt so lange gearbeitet haben wie sonst?

Lehrer*innen an Ersatzschulen dürfen nicht länger Lehrpersonen zweiter Klasse sein. Daher fordere ich den Gesetzgeber auf, verbindlich festzulegen, dass Ersatzschulen den Lehrpersonen 80% des Gehaltes eines Staatsschullehrers in vergleichbarer Position zahlen. Dass für uns die gleichen Gesetze und Bedingungen gelten wie für Staatsschulen, dass Vorteile, die Staatsschulen gewährt  werden, auch für uns gelten und dass alle Lehrerinnen und Lehrer regelmäßig über ihre Rechte aufgeklärt werden, in verpflichtenden Seminaren, die zur Arbeitszeit stattfinden. 

Meinen Kolleginnen und Kollegen an Privatschulen hingegen rate ich zu mehr Mut! Lasst Euch nicht immer wieder ins Bockshorn jagen!  Gewerkschaftsarbeit darf nicht länger kriminalisiert werden! Informiert Euch über Eure Rechte, setzt sie durch, gründet Betriebsräte, wacht endlich auf! Eure Schulen werden davon profitieren, denn zufriedene Lehrpersonen unterrichten besser als verängstigte, gefrustete Nervenbündel. 

Mit freundlichen Grüßen  - KJ"